Glasübergangstemperatur

Definition

Die Glasübergangs- oder Erweichungstemperatur (TG) ist die Temperatur, bei der ein Glas die größte Änderung der Verformungsfähigkeit aufweist. Ein Glas ist eine erstarrte Flüssigkeit. Gläser werden z. B. gebildet von den in der Umgangssprache darunter verstandenen anorganischen Gläsern - wie dem Fensterglas -, aber auch von organischen Gläsern wie z.B. amorphen Kunststoffen). Dieser so genannte Glasübergang trennt den unterhalb liegenden spröden energieelastischen Bereich (=Glasbereich) vom oberhalb liegenden weichen entropieelastischen Bereich (=gummielastischer Bereich). Der Übergang in den Fließbereich des amorphen Kunststoffs ist fließend.

Teilkristalline Kunststoffe besitzen sowohl eine Glasübergangstemperatur, unterhalb derer die amorphe Phase 'einfriert' (einhergehend mit Versprödung), als auch eine Schmelztemperatur, bei der sich die kristalline Phase auflöst. Die Schmelztemperatur trennt den entropieelastischen Bereich deutlich vom Fließbereich ab. Kristalline Kunststoffe weisen im Gegensatz dazu nur eine Schmelztemperatur auf. Handelsübliche Kunststoffe besitzen einen kristallinen Anteil von 20 % bis 80 %.


Messung

Die Messung der Glasübergangstemperatur kann u.a. mit Hilfe der Dynamisch Mechanischen Analyse (DMA) oder der dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC) erfolgen. Eine weitere Möglichkeit ist die dielektrische Relaxationsspektroskopie. Bei der DMA wird eine starke Änderung des E-Moduls und G-Moduls (Schubmoduls) sowie ein ausgeprägtes Maximum der Änderung der Dämpfung in einem engen Temperaturbereich beobachtet. Bei DSC-Messungen wird die Wärmekapazität (cp) in Abhängigkeit von der Temperatur erfasst. Die Wärmekapazität zeigt einen Sprung bei der Glastemperatur. Da die Glasübergangstemperatur von der Heiz- bzw. Kühlrate bei der Messung abhängt, wird für sie häufig ein Temperaturintervall angegeben. Im allgemeinen nimmt sie mit steigender Rate zu.


Die Glasübergangstemperatur

Sicher stellen sie sich die Frage, was hat denn Glas mit Kunststoffen zu tun? Wenn man aber weiß, dass das Glas, das wir normalerweise verwenden, aus Silicaten (SiO42-) besteht, und dass hierbei einzelne SiO4-Tetraeder miteinander verknüpft sind (s. Bild 1), wird klar, dass Glas im Prinzip genau wie Kunststoffe auch ein Polymer ist.

Silicatglas

Bild 1: Silicatglas


Übergang bei "Glasübergangstemperatur"

Vielleicht haben Sie schon einmal festgestellt, dass Kunststoffe im Winter (oder im Tiefkühlfach) spröder und weniger elastisch sind als bei wärmeren Temperaturen, und dass sie beim Erwärmen dehnbarer und flexibler werden. All dies hat mit der Glasübergangstemperatur, abgekürzt Tg, zu tun. Die Glasübergangstemperatur ist die Temperatur, bei der Polymere bzw. Kunststoffe (allerdings nur ganz oder teilweise amorphe Polymere) vom flüssigen oder gummielastischen, flexiblen Zustand in den glasigen oder hartelastischen, spröden Zustand übergehen, sie wird daher auch "Erweichungstemperatur" genannt. Sie ist für jeden Kunststoff spezifisch, das heißt, dass man Kunststoffe anhand ihrer Glasübergangstemperatur unterscheiden kann.

Manche Kunststoffe werden unterhalb ihrer Glasübergangstemperatur verwendet, z.B. Polystyrol, Polymethylmethacrylat (daraus besteht z.B. Plexiglas bzw. Acrylglas) oder Polyethylenterephthalat, d.h. dann, wenn sie hart und spröde sind, andere Kunststoffe werden oberhalb ihrer Glasübergangstemperatur verwendet, wenn sie elastisch und flexibel sind, z.B. Polybutadien (Synthesekautschuk) oder Polyethen.

Abkürzung Bedeutung
Tg Glasübergangstemperatur "Erweichungstemperatur" für die amorphen Kunststoffe und amorphen Bereiche der Kunststoffe
Tm = Tf Schmelztemperatur bzw. Fließtemperatur der Kristallite bei teilkristallinen Kunststoffen
Tc = TZ Cracktemperatur bzw. Zersetzungstemperatur, z.B. bei Duroplasten wie GFK

 

Glasübergang und Schmelzen

Der Übergang vom Glaszustand in den flüssigen Zustand ist nicht dasselbe wie Schmelzen. Zugegeben, es sieht für den Nichtchemiker absolut gleich aus, der Kunststoff wird weich und flüssig, für den Chemiker handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Vorgänge. Schmelzen geschieht mit Stoffen (auch Kunststoffen), die kristallin sind: Durch die Wärmezufuhr löst sich das geordnete Kristallgitter auf, man erhält eine ungeordnete Flüssigkeit. Bei Stoffen, deren Moleküle im festen Zustand schon ungeordnet vorliegen, in sogenannten amorphen Feststoffen, muss nicht erst unter Energiezufuhr das Kristallgitter aufgelöst werden, der Stoff wird "nur" flüssig.

Der Unterschied wird deutlich, wenn man sich den Temperaturverlauf beim Erwärmen eines Kristalls und eines amorphen Festkörpers ansieht: Beginnt ein Kristall zu schmelzen, bleibt seine Temperatur konstant, bis er ganz geschmolzen ist, d.h. die zugeführte Wärme wird ausschließlich dafür verwendet, das Kristallgitter zu zerstören, nicht, um die Temperatur des schmelzenden Stoffes zu erhöhen (diese Wärme wird als latente Schmelzwärme bezeichnet, von lat. latens = verborgen). Bei amorphen Festkörpern hingegen wird sämtliche zugeführte Wärme verwendet, die Temperatur des Stoffes zu erhöhen, es gibt kein Kristallgitter, das zerstört werden muss. In den untenstehenden Diagrammen wird dieser Sachverhalt veranschaulicht:

Darstellung der Schmelztemperatur und Glasübergangstemperatur

Bild 2: Darstellung der Schmelztemperatur und Glasübergangstemperatur

Die meisten Kunststoffe bestehen aus kristallinen und amorphen Bereichen, d.h. sie haben sowohl eine Schmelztemperatur (für die kristallinen Bereiche) als auch eine Glasübergangstemperatur (für die amorphen Bereiche).


Wärme = Bewegung

Erklärung:

Je wärmer es ist, desto mehr und desto schneller bewegen sich Teilchen wie z.B. unsere Kunststoffmoleküle, je kälter es ist, desto weniger bewegen sie sich (physikalisch betrachtet ist Wärme nichts anderes als kinetische Energie, d.h. Bewegungsenergie).

Für einen amorphen Kunststoff bedeutet dies: Ist er kalt, d.h. unterhalb der Glasübergangstemperatur im glasigen, hartelastischen Zustand, so bewegen sich die Molekülketten kaum (ein bisschen Bewegung ist immer vorhanden, solange sich ein Stoff nicht am absoluten Nullpunkt von 0 K (-273°C) befindet). Wird der Kunststoff nun langsam erwärmt, bewegen sich die Ketten immer mehr, halten aber noch zusammen, bis schließlich mit der Glasübergangstemperatur der Punkt erreicht ist, an dem sich längere Abschnitte der Molekülketten frei bewegen können und der Kunststoff weich, elastisch und schließlich flüssig wird.

Damit wird auch die leichtere Brüchigkeit von Kunststoffen unterhalb der Glasübergangstemperatur erklärt: Im elastischen Zustand ist es für die Molekülketten kein Problem, aneinander vorbeizugleiten, um einem Druck oder einer anderen äußeren Kraft auszuweichen. Befinden sich die Moleküle jedoch - wie im hartelastischen Glaszustand - an Ort und Stelle, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie halten dem Druck stand und bleiben in der Position, in der sie sind, oder sie werden durch den Druck getrennt, und der Kunststoff bricht auseinander.


Wovon hängt die Glasübergangstemperatur ab?

Die Glasübergangstemperatur hängt im wesentlichen von der Struktur der Polymere ab, wobei sich hier verschiedene Faktoren unterscheiden lassen:

Flexibilität der Hauptkette

Dies ist einer der wichtigsten Faktoren für die Höhe der Glasübergangstemperatur, und es ist leicht zu verstehen: Ein Kunststoff hat eine niedrige Glasübergangstemperatur, wenn sich die Molekülketten schon bei geringen Temperaturen so gut bewegen können, dass der Kunststoff flexibel und elastisch ist. Das funktioniert umso besser, je flexibler die Ketten an sich schon sind.

Seitenketten als Widerhaken

Auch die Seitenketten, die an der Hauptkette hängen, beeinflussen die Glasübergangstemperatur. Dies ist leicht nachvollziehbar: Sind die Ketten glatt und ohne Seitengruppen, können sie leichter aneinander vorbeigleiten und sich besser bewegen, die Glasübergangstemperatur ist also niedrig. Hängen Seitenketten an der Hauptkette, so verhaken sich die einzelnen Molekülketten leichter, außerdem ist es für die Hauptkette schwieriger, sich zu bewegen, wenn das Gewicht der Seitengruppen mitbewegt werden muss, die Glasübergangstemperatur liegt also höher.Natürlich hängt es von der Art und Anzahl der Seitenketten ab, wie groß der Einfluss auf die Glasübergangstemperatur ist.

Seitenketten als Abstandhalter

Seitengruppen können die Glasübergangstemperatur jedoch auch senken. Das funktioniert folgendermaßen: Je weiter die Molekülketten auseinander sind, desto mehr leeren Raum gibt es im Kunststoff, und desto leichter können sich die Ketten bewegen, die Glasübergangstemperatur wird also erniedrigt. Mehr Abstand zwischen den einzelnen Ketten kann man durch Zugabe von Weichmachern erhalten, das sind kleine Moleküle, die sich zwischen die Ketten lagern und sie so auf Abstand halten, ähnlichen Effekt können aber auch die Seitenketten der Kunststoffmoleküle haben.

Ein Beispiel hierfür sind die unten gezeigten, verschiedenen Polymethacrylate: Je länger die Seitenketten werden, desto niedriger wird die Glasübergangstemperatur, und während Polymethylmethacrylat (kurz PMMA) als "Plexiglas oder Acrylglas" allgemein als harter Kunststoff bekannt ist, ist Polybutylmethacrylat bei Raumtemperatur bereits weich.

Molekulare Darstellung verschiedener Polymethacrylate

Bild 3: Molekulare Darstellung verschiedener Polymethacrylate

Einsatztemperatur von Kunststoffen

Ob ein Kunststoff oberhalb oder unterhalb seiner Glasübergangstemperatur verwendet werden kann, hängt von der Art des Kunststoffs ab (dabei ist zu beachten, dass die Glasübergangstemperatur eines Kunststoffes bzw. Elastomers mit seiner Vernetzungsdichte steigt, d.h. die Glasübergangstemperatur eines Duroplasts ist deutlich höher als die eines Thermoplasts):

  • Amorphe Thermoplaste: Der Einsatz ist nur unterhalb der Glasübergangstemperatur sinnvoll.
  • Teilkristalline Thermoplaste: Der Einsatz über die Glasübergangstemperatur hinaus ist bei reduzierten Ansprüchen an die Festigkeit möglich. Die obere Einsatzgrenze wird meistens von der Schmelztemperatur gebildet.
  • Elastomere: Einsatz grundsätzlich oberhalb der Glasübergangstemperatur. Die obere Temperaturgrenze dieser Materialien ist ihre jeweilige Zersetzungstemperatur.
  • Duroplaste: Einsatz bis unterhalb Tc (Cracktemperatur bzw. Zersetzungstemperatur).

    Zustansbereiche von thermoplastischen Kunststoffen

    Bild 4: Zustansbereiche von thermoplastischen Kunststoffen


    Zustandsbereiche von Kunststoffen

    Zustandsbereiche von Kunststoffen

    Tg: Glasübergangstemperatur
    Tf: Fließtemperatur
    Tz: Zersetzungstemperatur

    Bild 5: Zustandsbereiche von amorphen thermoplastischen Kunststoffen, wie z.B. PVC, PMMA


    Die Zugfestigkeit ist unterhalb des Erweichungsbereiches relativ hoch und nimmt mit steigender Temperatur allmählich wieder ab. Bei Erreichen der Glastemperatur Tg fällt sie aber durch plötzlich einsetzende Molekülbeweglichkeit stark ab. Die Bruchdehnung ist im Glaszustand gering, sie nimmt bei Tg rasch zu und sinkt im weichelastischen Zustand nach Durchlaufen eines Maximums durch den wachsenden Anteil an plastischem Fließen wieder ab.

    Der Glasübergang trennt den unterhalb liegenden spröden energieelastischen Bereich (=Glasbereich) vom oberhalb liegenden weichen entropieelastischen Bereich (=gummielastischer Bereich). Der Übergang in den Fließbereich des amorphen Kunststoffs ist fließend.

    Zustandsbereiche von Kunststoffen

    Tg: Glastemperatur
    Tf: Fließtemperatur
    Tm: Kristallitschmelztemperatur
    Tz: Zersetzungstemperatur

    Bild 6: Zustandsbereiche von teilkristallinen thermoplastischen Kunststoffen, wie z.B. PE, PP, PB


    Bei der Glastemperatur Tg tauen nur die amorphen Bereiche auf, was eine geringe Unstetigkeit im Verlauf Zug- und Dehnungskurven zur Folge hat. Oberhalb der Glastemperatur Tg ist der Werkstoff durch den Molekülzusammenhalt in den Kristalliten fest und formsteif, durch die als quasi Gelenke" wirkenden amorphen Bereiche aber gleichzeitig flexibel und zäh. Erst im Schmelzbereich der Kristallite nimmt die mechanische Festigkeit sprunghaft ab und die Verformbarkeit zu. Der Gebrauchsbereich liegt also zwischen Tg und Tm. Teilkristalline Kunststoffe besitzen sowohl eine Glasübergangstemperatur, unterhalb derer die amorphe Phase "einfriert" (einhergehend mit Versprödung), als auch eine Schmelztemperatur, bei der sich die kristalline Phase auflöst. Die Schmelztemperatur trennt den entropieelastischen Bereich deutlich vom Fließbereich ab. Kristalline Kunststoffe weisen im Gegensatz dazu nur eine Schmelztemperatur auf. Handelsübliche Kunststoffe besitzen einen kristallinen Anteil von 20 % bis 80 %.

    Zustandsbereiche von Kunststoffen

    Tg: Glastemperatur
    Tf: Fließtemperatur
    Tm: Kristallitschmelztemperatur
    Tz: Zersetzungstemperatur

    Bild 7: Zustandsbereiche von duroplastischen Kunststoffen, wie z.B. GFK, Epoxidharz, Polyesterharz


    Bei den Duroplasten treten mit der Temperaturerhöhung keine sprunghaften Eigenschaftsveränderungen auf. Die Ursache hierfür ist die allseitige Vernetzung (Verknüpfung) durch Hauptvalenzbindungen. Die temperaturabhängigen Nebenvalenzbindungen spielen hier eine sehr untergeordnete Rolle. Erst mit dem Aufreißen der Hauptvalenzbindungen bei Tz bricht die mechanische Festigkeit zusammen.