Langzeit-E-Modul bzw. Kriechmodul
Für die Aufnahme des Langzeit-E-Moduls wird der Kriechmodul Ec ermittelt. Dieser ist bei Kunststoffen zeit-, temperatur- und spannungsabhängig. Auch der Kriechmodul wird genauso wie das Elastizitätsmodul für kurzzeitige Beanspruchung berechnet, allerdings ist der Proportionalitätsbereich zwischen Spannung und Dehnung (HOOKSCHEs Gesetz) nur bei der Kurzzeitbeanspruchung wirklich ausgeprägt, weswegen hier das Verhältnis von der zeitlich konstanten Spannung zu den zeitlich abhängig zunehmenden Dehnungen ermittelt wird. Neben den oben genannten Abhängigkeiten ist auch der Einfluss des Durchflusses auf den Kriechmodul sowie die Spannungsabhängigkeit von Bedeutung. Findet eine Messung des Kriechmoduls unter erhöhten Temperaturen statt, kommt es zu einer physikalischen Alterung, veranlasst durch die erhöhten Temperaturen bei der Prüfung im Gegensatz zu den niedrigen Lagertemperaturen.
Der Kriechmodul hilft den Kennwert der Durchbiegung von Rohren zu ermitteln und dient zur Berechnung von Verformungen. Zur Sicherung der Genauigkeit der Ergebnisse wird ein Sicherheitsfaktor S von S ≥ 1,1 empfohlen für die Angaben der Betriebsbedingungen.
Biegeversuch (DIN EN ISO 178)
Der Biegeversuch dient zur Prüfung des Verhaltens von Rohrverbindungen gegenüber einer Biegebeanspruchung. Zur Prüfung der Biegeeigenschaften werden in der Praxis zwei Prüfverfahren angewandt:
- 3-Punkt-Biegeversuch (DIN EN ISO 899 Teil 2)
- 4-Punkt-Biegeveersuch (DIN EN ISO 168441)
Das Kriechen eines Werkstoffes bezeichnet die zeit- und temperaturabhängige Verformungszunahme (bei Thermoplasten eine plastische Verformung) unter einer konstanten Spannung bzw. Last. Eine Kennzahl für das Kriechen ist durch den Kriechmodul EC in N/mm2 (= zeitabhängiger E-Modul) definiert. Der Kriechmodul EC ist ein Maß für die momentane Werkstoffsteifigkeit. Die Viskoelastizität der Kunststoffe äußert sich unter statischer Belastung durch eine stetige Abnahme der Werkstoffsteifigkeit. Dies führt bei konstanter Spannung zum Kriechen (Retardation), d.h. zu wachsender Verformung. Er ist für zeitabhängige Belastungen definiert als das Verhältnis zwischen Spannung und der zeitabhängigen sich einstellenden Verformung.
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3-Punkt-Biegeversuch (DIN EN ISO 899 Teil 2
Die DIN EN ISO 899 Teil 2 legt ein Verfahren zur Bestimmung des Biege-Kriechverhaltens von Kunststoffen fest. Außerdem legt diese Norm Rahmenbedingungen, wie Probekörpermaße, Klima und einzusetzende Messgeräte fest.
Bild 1: Dreipunktbiegeanordnung nach DIN EN ISO 178 und DIN EN ISO 14125
In dieser Norm erfolgt die Messung der Mittendurchbiegung mittels Traversenwegmessung oder durch die Nutzung eines Tastfühlers in der Probenmitte. Speziell bei der Bestimmung des E-Moduls ergeben sich mit dem Tastfühler verbesserte Kennwerte, da der Fehlweg infolge des Eindringens der Biegefinne nicht im Durchbiegungssignal enthalten ist.
Bild 2: Prüfeinrichtung für Dreipunktbiegeanordnung nach DIN EN ISO 178 und DIN EN ISO 14125
Bei der Dreipunkt-Biegeprüfung an Kunststoffen wird in Übereinstimmung mit der Norm DIN EN ISO 178 der Biegeprüfung von Kunststoffen [1, 2] meistens der Prüfkörper mit den Abmessungen 80 x 10 x 4 mm3 verwendet. Dieser Prüfkörper kann dabei direkt durch das Spritzgussverfahren oder aus dem Vielzweckprüfkörper Typ 1A durch Entfernen der Schultern des Prüfkörpers hergestellt werden, wobei bei dieser Art der Prüfkörperherstellung eine Vergleichbarkeit des inneren Zustandes der Prüfkörper bezüglich der Eigenspannung und Orientierungen mit anderen Prüfmethoden vorliegt.
Falls die Prüfkörper für die Biegeprüfung aus Platten mit unterschiedlicher Dicke präpariert werden (indirekte Präparation), muss die Breite und Länge der Prüfkörper entsprechend der Tabelle angepasst werden, um unzulässige Einflüsse (Einflüsse im Biegeversuch) durch die auftretende Schubspannung im Querschnitt zu vermeiden. Als Grundvoraussetzung ist dabei bei annähernd isotropen und homogenen Werkstoffen eine Längen-Dicken-Verhältnis l/h = 20 einzuhalten. Zusätzlich ist in diesem Fall noch die Herstellungsrichtung beim Extrudieren oder Kalandrieren der Platten zu beachten.
Nenndicke h (mm) | Breite b (mm) | Länge i (mm) |
1 < h < 3 | 25,0 + 0,5 | 20 - 60 |
3 < h < 5 (4) | 10,0 + 0,5 | 60 - 100 (64) |
5 < h < 10 | 15,0 + 0,5 | 100 - 200 |
10 < h < 20 | 20,0 + 0,5 | 200 - 400 |
20 < h < 35 | 35,0 + 0,5 | 400 - 700 |
35 < h < 50 | 50,00 + 0,5 | 700 - 1.000 |
Tabelle: Prüfkörpergeometrie nach DIN EN ISO 178
Die Prüfergebnisse sind:
- Das Biege-Kriechmodul
- Zeitstand-Biegefestigkeit
- Kriechkurven mit logarithmischer Zeitachse
- Kriechmodul-Zeit-Kurven mit logarithmischer Zeitachse
- Isochrone Spannungs-Dehnungs-Kurven
4-Punkt-Biegeversuch (DIN EN ISO 16841)
Die 4-Punkt-Biegeprüfung wird nach DIN EN ISO 16841 durchgeführt. Der Anwendungsbereich dieser Prüfart umfasst die Ermittlung des Verformungsverhaltens eines Probekörpers (Kunststoffrohr) bei ruhender Biegebeanspruchung. Hierbei müssen die Einflüsse Temperatur, Belastungszeit, weitere Umweltbedingungen auf das Langzeitverhalten des geprüften Kunststoffs miteinbezogen werden, um das Verfahren auf die Praxis übertragen zu können.
Bild 3: Vierpunktbiegeanordnung nach DIN EN ISO 14125
Da in dieser Norm kein Abbruchkriterium wie bei der DIN EN ISO 178 vorgesehen ist, werden die Versuche im Regelfall bis zum Bruch des Prüfkörpers durchgeführt. Da dann insbesondere bei großen Durchbiegungen zusätzliche Spannungskomponenten infolge Reibung oder HERTZ'scher Pressung auftreten und geometrische Effekte, wie Auflagerabstandsverkürzung, wirken, müssen Randfaserdehnung und Biegespannung bei der Drei- und Vierpunktbiegeeinrichtung korrigiert werden.
Zeitstand-Zugversuch (DIN EN ISO 899 Teil 1)
Ein weiteres Verfahren zur Aufnahme des Kriechmoduls ist der Zeitstand Zugversuch nach DIN EN ISO 899 Teil 1. Diese Norm legt die Rahmenbedingungen zum Versuchsaufbau und zur Durchführung des Zugversuchs fest. Aufgrund der meist langen Versuchsdauer ist es üblich, mehrere Probekörper gleichzeitig zu prüfen. So erhält man ein statistisch abgesichertes Prüfergebnis. Die Prüfmaschinen sind dazu mit mehreren Prüfachsen ausgestattet.
Eine große Rolle spielt die Konditionierung während der Prüfungen. Wärmedehnungen aufgrund von Temperaturschwankungen, die die Kriechdehnung überlagern, sind zu vermeiden. Aus diesem Grund muss sichergestellt werden, dass die Umgebungsbedingungen während der Prüfdauer sehr konstant sind. Bei Prüfungen außerhalb der Raumtemperatur werden exakt geregelte Temperierkammern eingesetzt.
Die Probendehnungen werden in modernen Kriechprüfanlagen optisch mit Hilfe von hochgenauen Videomesssystemen bestimmt, die hinter den Prüfachsen angeordnet sind und dem Bediener so einen freien Zugang von vorne erlauben.
Bild 4: Zeitstand-Zugversuch, ISO 899-1
Quelle: Zwick GmbH & Co.KG, Ulm
Die Prüfergebnisse sind:
- Das Zug-Kriechmodul und das nominelle Zug-Kriechmodul
- Zeitstand-Zugfestigkeit
- Kriechkurven mit logarithmischer Zeitachse
- Kriechmodul-Zeit-Kurven mot logarithmischer Zeitachse
- Isochrone Spannungs-Dehnungs-Kurven
- Rückstellkurven
Bild 5: Kriechmodul Ec für PE 100 in Abhängigkeit von der Zeit und Temperatur (Festigkeitswerte zur Dimensionierung von thermoplastischen Werkstoffen)
Quelle: Simona AG, Kirn